Es muss nicht gleich der Marathon sein!
#gesundmobil - Interview mit Doc Esser
Doc Esser ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie sowie ein beliebter Fernseh-, Podcast- und Hörfunkmoderator. In seinen Gesundheitssendungen (z.B. ‚Doc Esser macht den Westen fit‘) setzt er sich für einen besseren Lebensstil und damit die Krankheitsprävention ein und begeistert damit unzählige Menschen. Er ist Experte und Entertainer in einem und schafft es, selbst trockene medizinische Themen spannend und unterhaltsam zu präsentieren. Wir haben mit ihm über die Geheimnisse eines aktiven Arbeitsalltags gesprochen. Erfahrt hier, warum körperliche Betätigung unverzichtbar ist und wie ihr mit einfachen Tipps und Tricks eure Produktivität steigern und ganz einfach sportlich durchstarten könnt.
Alle reden vom gesunden Leben und vom aktiven Mobilsein und doch fahren nach wie vor 60% aller Menschen mit dem Auto zur Arbeit, nur 10% gehen zu Fuß oder fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. Was läuft da verkehrt?
Wenn die Distanz zum Arbeitsplatz zu groß ist, dann ist es sicherlich nicht in allen Fällen realistisch, diese mit dem Fahrrad zurückzulegen. Häufig aber sind wir einfach nur bequem und denken gar nicht daran, dass gewisse Strecken problemlos zu Fuß oder mit dem Rad bewältigt werden können. Zumindest aber mit nachhaltigen Verkehrsmitteln.
Warum ist Bewegung im Alltag so wichtig?
In den letzten Jahren ist immer deutlicher geworden, dass wir mit Bewegung qualitativ besser altern. Eine aktuelle Studie aus den USA zeigt, wie sich Sport positiv auf die Lebenserwartung auswirkt. Da wurde eine Reihe von über Vierzigjährigen, die bis dato nie trainiert hatten, dazu gebracht, sich zwei Mal die Woche nur eine Stunde lang moderat körperlich zu betätigen. Wissenschaftler haben nach einiger Zeit gemessen, dass die Studienteilnehmer dadurch Lebenszeit hinzugewonnen haben. Pro Stunde Workout ergab sich ein um sieben Stunden längeres Leben.
Die Realität sieht jedoch leider häufig anders aus. Erkrankungen wie Alterszucker, die wir früher nur von Oma und Opa kannten, setzen inzwischen schon sehr viel früher ein. Ich habe heute immer mehr Patientinnen und Patienten im allerbesten Alter, die durch ihren Lebensstil und zu wenig Bewegung ihren Körper so runtergerockt haben, wie man es früher erst im fortgeschrittenen Alter gesehen hat.
Wozu führt das?
Nehmen wir zum Beispiel den Bluthochdruck. Das ist eine s.g. stille Erkrankung, die meist erst erkannt wird, wenn ein Organ beschädigt ist. Etwa ein Drittel der Deutschen ist davon betroffen. Wenn Sie moderat joggen, radfahren oder schwimmen, können Sie den systolischen Wert sehr schnell senken. Das ist sinnvoller als Medikamente zu schlucken. Denn alles, was wirkt, hat auch Nebenwirkungen.
Bei der Zuckererkrankung ist es noch eindrucksvoller. Diabetes Typ 2 ist alles andere als eine Bagatellerkrankung und hat inzwischen seinen Erkrankungsgipfel bei den Enddreißigern bis Endvierzigern erreicht. Folgeerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Nieren, Augen oder Nerven sind da vorprogrammiert. Körperliche Aktivität trägt zur Verbrennung von überschüssigem Zucker im Blut bei und normalisiert die Insulinproduktion. So kann der Blutzuckerspiegel nachhaltig gesenkt werden.
Auch bei depressiven Episoden wirkt Bewegung Wunder und hat mindestens einen gleich starken Effekt wie Medikamente. Auch der Verlauf der Alzheimerdemenz kann dadurch deutlich verlangsamt werden. Glauben Sie mir: Sport hat eine unfassbare Power!
Wie kann ich meine Mobilitätsgewohnheiten im Arbeitsalltag anpassen, ohne direkt mein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen?
Es ist schön zu beobachten, dass inzwischen viele Unternehmen Fitnessprogramme anbieten, in denen Trainer einfache Übungen zeigen, die Spaß machen und bei jedem Leistungsniveau funktionieren. Andere Firmen kooperieren mit Fitnesscentern oder bieten Dienstfahrräder an. Da haben Sie bei der Telekom ja ebenfalls Zugriff auf ein breites Angebot. Man kann aber auch einfach selbst aktiv werden, ganz ohne auf andere angewiesen zu sein.
Ich selbst bin ich ein großer Fan der aktiven Mittagspause. In meinem Büro liegen immer ein Medizinball und leichte Hanteln bereit. Damit trainiere ich eine halbe Stunde lang, während meine Kolleginnen und Kollegen in der Krankenhauskantine schmausen und unnötige Kalorien zu sich nehmen. Danach ist mein Kopf wieder frei, ich habe etwas für meinen Körper getan und gehe deutlich gelassener in die zweite Tageshälfte. Und es ist extrem einfach umzusetzen.
Auch der Weg zur Arbeit und zurück ist eine Option für mehr sportliche Betätigung.
Ganz sicher! Mein Arbeitsweg ist derzeit leider zu lang, um ihn aktiv zu gestalten. Aber bei den meisten Arbeitnehmern ist der Arbeitsplatz in einem Umkreis von 5 – 10 Kilometern und es spricht nichts dagegen, zumindest ab und zu mit dem Fahrrad zu fahren, zu Fuß nachhause zu gehen oder gar zu joggen. Wir alle haben die Möglichkeit, Bewegung in unseren Alltag zu integrieren und jeder kann für sich die richtige Trainingsform finden, die ihm oder ihr Freude macht. Selbst wenn es der Hula-Hoop-Reifen ist. Oder die Laufgruppe mit Kollegen.
Wichtig ist, dass man sich dabei keinen Stress macht und die Ziele nicht zu hoch setzt. Wir müssen uns von dem Gedanken lösen, dass es immer gleich der Marathon sein muss. 10 – 15 Minuten täglich reichen zu Beginn völlig aus. Wer nie gelaufen ist, wird nicht direkt 5 Kilometer am Stück schaffen. Es geht vielmehr um den Spaß an der körperlichen Ertüchtigung und an den raschen Erfolgen, die ich damit erzielen kann. Ich habe noch niemanden erlebt, der auf diese Weise nicht irgendwann bei seinen 5 Kilometern war.
Vielen Dank, Herr Esser, für dieses motivierende Gespräch!