Mobilität heißt Bewegung!
#gesundmobil – Interview mit Prof. Dr. Ingo Froböse
Ingo Froböse ist Sportwissenschaftler und Universitätsprofessor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln. Mit ihm sprachen wir darüber, was zu wenig Bewegung mit dem Körper macht und wie Ernährung und Regeneration zu einem gesunden und nachhaltigen Lebensstil beitragen.
Sie sagen dem sitzenden Lebensstil den Kampf an. Was heißt das genau?
Durch das viele Sitzen verändert sich der Körper, die Flüssigkeit sackt in die Beine ab, die Durchblutung und die Sauerstoffversorgung funktionieren nicht mehr optimal. Das geht eine Weile gut, aber dauerhaft führt es zu Veränderungen im Körper. Metabolische und morphologische Veränderungen, die nachhaltig negativ auf den Körper einwirken.
Was sagen Sie den Leuten, die mit Sport so gar nichts am Hut haben?
Es muss nicht immer Sport sein, aber Bewegung ist wie ein Lebensmittel. Daher sollten wir über Muskelarbeit bestimmte Prozesse im Körper stimulieren, denn die Muskulatur ist der wichtigste Motor als größtes Stoffwechselorgan. Schon ein paar Kniebeugen aktivieren den ganzen Körper. Dadurch gelangt mehr Sauerstoff ins Gehirn und es ist nachhaltiger und viel besser als zu einem Schokoriegel zu greifen oder Kaffee zu trinken.
Was tun Sie, um gesund mobil zu sein?
Erst einmal reduziere ich meine Sitzzeiten. Jede Stunde fünf Minuten Unterbrechung und Bewegung. Es gibt viele Möglichkeiten, im Alltag Bewegungs-Punkte zu sammeln. So gehe ich bewusst viele Wege zu Fuß, wenn ich auf Reisen bin. Und zwar immer so, dass der Atem- und die Herzfrequenz ein wenig erhöht sind. Ich versuche bewusst einen metabolischen Reiz zu setzen. Auch das Treppenhaus ist immer noch eine der besten Möglichkeiten, sich fit zu halten. Wenn ich an der Sporthochschule bin, nutze ich zum Beispiel nicht die Toilette auf meiner Etage, sondern gehe drei Etagen höher. Damit tue ich etwas für meine Organstruktur und außerdem gibt es einen knackigen Hintern [lacht]. Bewusst Bewegungsreize setzen und aus der Bequemlichkeit herausgehen.
Welche Rolle spielt die Ernährung, wenn man aktiv mobil sein will und bleiben möchte?
Grundsätzlich sollte man versuchen, sich biorhythmisch zu ernähren. Biorhythmisch heißt, dass der Körper nicht immer alles gleichzeitig benötigt. Übrigens verhungern wir nicht, wenn wir mal ein paar Stündchen nichts essen.
Wir brauchen Energiequellen. Das sind Fette und Kohlenhydrate. Die kann man morgens gut konsumieren, und verbrennt sie dann auch im Laufe des Tages. Mittags sollte das Essen nährstoffreich, regional, saisonal und bunt sein, abends eiweißreich. Von der Menge her morgens etwas mehr, mittags etwas weniger und abends darf die Portion ruhig etwas kleiner sein. Außerdem sind Pausen notwendig, idealerweise 4 bis 6 Stunden zwischen den Mahlzeiten.
Wenn man dies berücksichtigt, hat man schon viel richtig gemacht.
Was man dagegen lassen sollte, ist abends das Ciabatta mit dem Olivenöl beim Italiener. Die Kohlenhydrate rauben den Schlaf, da sie anregend wirken und Energie geben, die ich aber gar nicht mehr verbrenne.
Viele unserer Kolleginnen und Kollegen sind häufig auf Dienstreisen. Wie kann man sich unterwegs gesund ernähren?
Ich nehme mir etwas mit, wenn ich auf die Reise gehe. Es gibt ja Meal Prep. Und dann weiß ich genau, wenn der große Hunger kommen sollte, habe ich etwas dabei und falle nicht auf eine Pizza rein. Also die Reise vorbereiten, Proviant mitnehmen, so einfach ist das in der Regel.
Können Nahrungsergänzungsmittel helfen?
Grundsätzlich benötigen wir bei einer ausgewogenen Ernährung keine Nahrungsergänzungsmittel. Wir haben nur bestimmte Defizite in unserer Welt, zum Beispiel ein Joddefizit. Das heißt also bitte darauf achten, dass es regelmäßig beispielsweise jodiertes Salz gibt. Das zweite, was wir möglicherweise substituieren müssen, ist Vitamin D, vor allem in den Monaten von Oktober bis März.
Und drittens sollte man darauf achten, ausreichend mit Eiweiß versorgt zu sein. Denn Eiweiß ist der wichtigste Baustoff des Körpers. Insbesondere dann, wenn man wirklich sehr viel körperlich anstrengende Tätigkeiten hat.
Also eher zurückhaltend damit umgehen?
Ja! Viel wichtiger ist, die Qualität der Lebensmittel zu erhöhen. Und bitte auf industriell verarbeitete Nahrungsmittel verzichten. Denn die Industrie schiebt uns Stoffe unter, die wir an sich gar nicht brauchen, die der Körper auch nicht gut verträgt.
Meal Prep bleibt für mich immer die beste Möglichkeit, den Heißhunger zu kontrollieren und gleichzeitig zu wissen, welche Qualität von Lebensmitteln ich auf dem Teller habe. Schließlich essen wir 1000 Kilogramm jedes Jahr, und da sollten wir die notwendige Achtsamkeit haben und wirklich auf die Qualität zu schauen.
Was verstehen Sie unter der „Formel Froböse“?
Die Formel Froböse ist letztendlich ein Dreiklang aus Bewegung, Ernährung und Regeneration. Und an allen drei Schrauben sollte man, wenn man einen vernünftigen, nachhaltigen Lebensstil schaffen möchte, schrauben.
Zu Bewegung und Ernährung haben wir ja schon gesprochen. Zusätzlich ist für mich Regeneration außerordentlich wichtig, denn wir haben in unserer Gesellschaft kein Belastungs-, sondern ein Regenerationsproblem.
Im Sport drehen wir jeden Tag an der Höchstleistung. Wir schaffen das aber nur, weil die Regeneration dazu passt. Wir wissen leider nicht mehr, wie Pause geht, was Muße ist. Regeneration ist der Garant für Lebensqualität. Sprüche wie „endlich Freitag, bin ich wieder kaputt“, dürfen nicht sein. Und wenn 15 % der Menschen schon am Montag nicht ausgeruht in die Woche starten, wie soll dann etwas gut werden? Wir müssen unseren Akku regelmäßig aufladen. Was wir jeden Tag mit unserem Handy machen, müssen wir auch mit unserem Körper tun. Jeden Morgen, wenn wir aufstehen, muss der Akku auf 100 % sein. Die Formel Froböse fasst das einfach zusammen als Lebensphilosophie.
[Mehr zur Formel Froböse findet ihr hier ]
Stellen Sie sich vor, Sie wären eine Woche lang Verkehrsminister. Was würden Sie in dieser Woche hinsichtlich der Mobilität in Deutschland ändern?
Ich würde die Woche unter das Motto der Fußgänger stellen. Die Fußgänger werden verdrängt von allen anderen Mobilitätsmitteln. Ich würde mir wünschen, dass wir die Bewegungsmöglichkeiten in den Städten, in den Kommunen, den Gemeinden wieder sicherer machen. Dass Menschen wieder sicher auf der Straße gehen können. 45.000 Verletzungen von Fußgänger gibt es jedes Jahr. 400 Menschen sind im letzten Jahr verstorben als Fußgänger, weil sie von einem Mobilitätsmittel an- oder überfahren wurden. Lasst den Fußgänger wieder aufleben.