Es muss vor allem unkompliziert sein

Mobility Talk mit Matthias Budde (Deutsche Telekom)

Auf in die neue Staffel! Auch in diesem Jahr wird unsere Geschäftsführerin Olga Nevska regelmäßig mit Expert:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über die Zukunft der Mobilität sprechen. Zum Auftakt traf sie Mattias Budde, Leiter Group Strategy & Innovation der Deutschen Telekom. Die beiden sprachen über multimodale Mobilität, das Fahrzeug als Third Place, seine Probefahrt in unserem Wasserstoff-Fahrzeug und vieles mehr. Prädikat wertvoll!

Olga Nevska: Matthias, es passiert im Moment viel auf dem Markt. Es gibt neue Technologien und Player. Wie siehst du die Zukunft der Mobilität?  

Matthias Budde: Punkt eins: Multimodale Mobilität – also sich vom Startpunkt bis zum Ziel relativ bequem eine Reise zusammenzustellen unter Nutzung verschiedener Transportmittel – wird zukünftig eine höhere Relevanz haben. Hier halte ich das Thema Convenience für ausschlaggebend. Es muss vor allem unkompliziert funktionieren, innerhalb kurzer Zeit eine Fahrt von A nach B zu organisieren. Punkt zwei: Es wird an Relevanz verlieren, ein Auto zu besitzen. Die nachfolgende Generation wird das Auto deutlich funktionaler betrachten und weniger emotional, als es vielleicht noch in meiner Generation der Fall ist. Nichtdestotrotz wird die individuelle Freiheit, selbstbestimmt von A nach B zu kommen, weiterhin einen hohen Stellenwert haben. Die Abo-Modelle von Sixt und anderen Anbietern, die jetzt auf den Markt kommen, sind definitiv ein Schritt in diese Richtung.

Bleibt das Auto aus deiner Sicht trotzdem das Fortbewegungsmittel Nummer eins? 

Wenn ich meinen persönlichen Mobilitätsmix betrachte, dann ist das Auto für mich hochrelevant, in geringerem Maße auch das Flugzeug und in der Freizeit mein Rennrad. Ich bin kein großer Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs oder der Bahn, was momentan an meinen Lebensumständen liegt. Als ich noch in München gearbeitet habe, war ich eifriger Bahnpendler.

Liegt es vielleicht auch daran, dass unsere Infrastruktur keine Alternative bietet? 

Mit dem Auto benötige ich für meine Pendelstrecke zwischen Düsseldorf und Bonn momentan – unter Corona-Bedingungen – etwa eine Stunde und habe damit einen zeitlichen Vorteil zur Bahnverbindung von einer halben Stunde plus zusätzliche Unwägbarkeiten. Hinzu kommt eine höhere Flexibilität vor allem in den Abendstunden. Insofern sehe ich für mich zurzeit noch keine Möglichkeit, komplett umzusteigen.

Wie siehst du das Thema autonomes Fahren? 

Vollautonome Fahrzeuge sehe ich als erstes in Form von Taxis oder im Chauffeur Service. Ich glaube deshalb, autonomes Fahren wird sich als Komponente sehr stark in das multimodale Modell einfügen. Firmen wie Uber werden diese Fahrzeuge nutzen, um sich unabhängig zu machen von einer Fahrerinfrastruktur und dadurch die Auslastung gegebenenfalls zu erhöhen.

Kannst du dir vorstellen, dass gerade Plattform-Provider wie Uber, Flixbus oder Google den Markt übernehmen werden und dann die Autohersteller sowie Asset Provider steuern?  

Diese Plattformen haben heute schon eine Relevanz und prägen das Nutzerverhalten. Nehmen wir Uber als Beispiel: Die ständige Verfügbarkeit von Taxi-Services sowie die Sicherheit bei der Buchung und bei der Preisgestaltung sind Komponenten, die vor allem auf eines einzahlen: User Convenience. Und das wird nach vorne bei der Ausgestaltung des Mobilitätsmixes eine Relevanz haben und indirekt auch auf die Frage, welche Angebote die Automobilhersteller an den Markt bringen. Getrieben wird das alles durch die Fähigkeit, nutzungsfreundliche Software zu entwickeln. Und das müssen notwendigerweise nicht nur die Googles und Amazons dieser Welt sein, sondern auch unabhängige Spieler wie Flixbus. Am Ende des Tages kommt es auf die Software-Kompetenz an.

Wenn wir über Amazon, Google oder Flixbus sprechen, kommt schnell auch das Thema Daten ins Spiel. Welche Rolle spielen Nutzer-Daten zukünftig bei der Mobilität? 

Das Ganze wird eine konsequente Weiterentwicklung dessen sein, was wir heute schon sehen: angefangen bei meinem Parkplatz, der gespeichert wird, bis hin zur Vorhersage, was den Zeitbedarf für meine eigene Mobilität angeht. Diese Daten sind bereits heute Bestandteil meines Mobilitätsprofils, die ich preisgebe, wenn ich mich irgendwo einlogge oder registriere. Ein weiterer Aspekt der Nutzung wird verstärkt getriggert durch die Frage: Was macht eigentlich ein Fahrgast in der Zeit, in der er autonom oder teilautonom unterwegs ist? Eine Form von Onboard-Entertainment oder -Beschäftigung ist natürlich gerade für die Google und Amazon eine interessante Erweiterung der Onlinezeit in den entsprechenden Ökosystemen. Und genau dieser Aspekt kommt noch hinzu in Hinblick auf die Daten, die wir preisgeben bzw. auf deren Grundlage wir mit Werbung oder Unterhaltung bespielt werden.

Aus diesem Nutzungsmodell lässt sich ableiten, dass das autonom fahrende Auto zum sogenannten Third Place wird, an dem wir uns mit unterschiedlichen Dingen beschäftigen. Könnte das auch ein Business-Modell für die Telekom sein? 

Ich glaube ja. Das wird für uns ein kritischer Übergang sein im Hinblick darauf, wie wir Konnektivität in den Fahrzeugen verfügbar machen. Also wegzukommen von einer Machine-to-Machine-Connectivity, hin zu einer privaten Konnektivität. Idealerweise schaffen wir es, dies mit Services zu verknüpfen, die wie anbieten, sei es ‚Entertain‘ oder seien es gewisse Office-Productivity-Tools, die dann im Fahrzeug im Rahmen unserer Connectivity am besten funktionieren. Das ist kein Selbstläufer, weil die Gefahr besteht, dass wir die M2M-Connectivity lediglich auf größere Use Cases erweitern und mit diesem Modell unsere Umsätze kannibalisieren im Bereich der heutigen Privat- und Geschäftskunden. Ein spannendes Thema, das wir nach vorne aktiv gestalten müssen, damit wir hier im Rennen bleiben und differenziert am Markt agieren können.

Was würdest du dir von Mobilität wünschen? 

Ich wünsche mir eine pragmatischere, realitäts-orientiertere Diskussion, weg von dogmatischen Debatten.

Du hast unser Wasserstoff-Fahrzeug, den Mercedes-Benz GLC F-Cell getestet. Wie fandest du es? 

Sehr unkompliziert und angenehm zu fahren. Die Tatsache, dass man wasserstoffbetrieben unterwegs ist, fällt einem dann auf, wenn man eine der seltenen Wasserstoff-Tankstellen ansteuern muss und dann das Gefühl bekommt, ein Flugzeug zu betanken (lacht). Auch das ist recht unproblematisch, wird am Ende nur ein bisschen laut, wenn sich der volle Druck aufbaut. Die Antriebstechnologie fand ich vollumfänglich überzeugend. Für die tägliche Nutzung durchaus eine Option.

Welche Technologie wird sich aus strategischer Sicht durchsetzen: Wasserstoff oder Elektro? 

Wenn sich die Batterietechnologie so evolutionär weiterentwickelt wie bisher und sich die Ladeinfrastruktur verbessert, gehe ich davon aus, dass sich im privaten Konsumentenumfeld eher die batterieelektrischen Fahrzeuge durchsetzen werden. Wasserstoff wird gerade bei den Nutzfahrzeugen eine Relevanz haben aufgrund der unproblematischen Wiederbetankung. Es wird ein Mix sein und ich würde mir wünschen, dass auch Wasserstoff im privaten Umfeld eine höhere Relevanz hat, wenn es klimaneutral gewonnen werden kann. Wir werden sehen, wie sich der Markt entwickelt.

Kannst du dir vorstellen, privat und/oder geschäftlich ein Elektrofahrzeug zu fahren? 

Absolut. Ich habe es schon mehrfach ausprobiert, auch dank eurer Unterstützung. Da ich sehr viele berechenbare Strecken fahre und sich diese zu 80 Prozent auf das Pendeln zwischen Düsseldorf und Bonn beschränken, wird mein nächstes Fahrzeug ein elektrisches sein.

Lieber Matthias, ich danke Dir für dieses Gespräch und freue mich auf den weiteren Austausch.

Anm. d. Red.: Matthias hat sich mittlerweile ein neues Auto zugelegt. Es ist ein Elektroauto.